Ein Beitrag von Eddi Neumann vom 23.08.2022
Fassadenbilder, auch Murals genannt ( Urban- Art ), sind Kunstwerke auf Zeit. Sie können ein Stadtbild verändern, die Bedeutung der Häuser betonen, den Dialog in der Nachbarschaft beleben oder auch, im Fall vom Auftraggeber "Deutsche Wohnen", Kritik oder sogar Zerstörugswut auf sich ziehen.
Seit das erste Fassadenbild 1975 in Berlin zum Stadtgespräch wurde, sind in Berlin über 800 Wandbilder entstanden. Viele dieser Kunstwerke sind längst wieder verschwunden, verfallen oder durch neue Bilder ersetzt. Alle Fassadenbilder sind vergänglich, und die durchschnittliche Lebensdauer beträgt etwa 20 Jahre.
Obwohl einzelne Wandgemälde über die Grenzen der Stadt Berlin hinaus bekannt geworden und Teile der Bilder als Zeitdokumente von hohem Wert sind, genießen sie dennoch keinen Denkmalschutz. Auch ihre künstlerische Qualität kann sie nicht generell davor schützen, durch Renovierungsarbeiten zerstört, durch die Schließung von Baulücken oder Abriss beseitigt zu werden. Das "Turnschuhhaus" von 1984 ist ein gutes Beispiel hierfür.
Noch erhaltene Murals aus den 1980er und 90er Jahren
Bühne Saalbau mit Figuren
Auftragsarbeit von Werner Brunner 1980er Jahre
Der Künstler malte in seinem bunten Auftragswerk die Bühne des "Saalbau Neukölln" (schräg gegenüber), sowie Figuren aus dem benachbarten Puppentheater Museum Karl-Marx-straße, Ecke Saltykowstraße". Als Anspielung auf archäologische Funde aus der Eiszeit zeichnete Brunner im unteren Drittel ein Wollnashorn (mitlerweile übertaggt), dessen Kiefer von Manfred Arnold nur einen Steinwurf entfernt in Franz Körners Kiesgrube – dem heutigen Körnerpark – gefunden wurde.
Landschaft in Architektur
Auftragsarbeit von Gert Neuhaus 1980er Jahre
Werbellinstrasse
Ein typisches Werk von G.N. Das Einbeziehen der Architektur und auch die optische Täuschung die dadurch entsteht, sieht man sehr oft in seinen Werken. Leider sind im laufe der Zeit die Farben verblasst und der Putz bröckelt. Schade, immerhin hat es ja schon über 30 Jahre auf dem Buckel und gehört somit zu den ältesten, erhaltenen und meiner Meinung nach schönsten Murals hier in Neukölln.
Rosinenbomber
Auftragsarbeit von Werner Brunner 1989
Flughafenstraße
Werner Brunner prägte mit seinen Wandmalereien das Stadtbild Westberlins, vor allem in den Siebzigern und Achtzigern. Er war Mitglied der Künstlergruppe Ratgeb. Das Thema ist der Flughafen Tempelhof und die Luftbrücke der Alliierten. Vorlage für sein Werk war ein bekanntes Foto. Da der Flughafen nicht weit ist, ein passendes Motiv.
Skurile Figuren
Unbekannter Künstler 1990er Jahre
Rübelandstraße
Ähnliche skurile Figuren findet man oft im Bezirk Kreuzberg.
Neue Welt
Auftragsarbeit von Werner Brunner 1987
Donaustaße
Mit großen Schritten führt das Wandbild durch die Geschichte von Neukölln. Beim U-Bahnbau am Hermannplatz wurden Stoßzähne eines Mammuts entdeckt. Mit der Industrie entstanden auch die ersten Vergnügungsstätten in der Hasenheide.
Während die Revuegirls in der Neuen Welt tanzten, wurde 1929 das Kaufhaus Karstadt eingeweiht. Die Kriegsfolgen erkennt man hinter den Kaufhaustürmen.
Kontemporäre Murals
The Sky Over There
Mural von Lars Wunderlich 2021
Richardstraße
Als Reise zwischen den Welten des Digitalen und Analogen - Eine künstlerische Annäherung an einen Ort auf der anderen Seite der Erde, der gerade jetzt unerreichbar scheint und nur per Signal erfahrbar bleibt. Der Künstler bereiste 2015 den Ort Chennai in Indien. Die vielen Eindrücke waren prägend für den Künstler. Es entstand die Idee, den Ort neu zu bereisen und den Himmel über Chennai und Neukölln neu zu vermessen. Hierfür nutzt er das Digitale um sich dem Ort erneut anzunähern. (Text aus: "48h Neukölln Kunstfestival")
The Future Is Female
Mural von Case Maclaim 2018
Schinkestraße
C. M. ist ein Pionier des fotorealistischen Graffiti, der seit mehr als 20 Jahren in über 20 Ländern an Orten wie Los Angeles, New York, Sofia, London, Wroclaw, Mailand und Moskau gearbeitet hat.
Robot
Mural von "Sice Two" 2018
Hermannstraße
Dein Fernseher lügt
Mural von "innerfields" 2016
Reuterstraße
Juten Morjen Kunst
Murals von Fix77 und Anne B & Kkade
Silbersteinstraße
Streetmap Murals Nord-Neukölln
Streetmap Murals Süd-Neukölln
Mural- Festival in Berlin
Durch das „Berlin Mural Fest“ wird die Stadt zu einer Open-Air-Galerie enormen Ausmaßes. Über 100 Street-Art-Künstler aus Berlin und der ganzen Welt bemalen, bekleben und besprayen 30 Hauswände in der ganzen Stadt. So entstehen auf über 10.000 Quadratmetern überdimensionale Kunstwerke, die Berlin dauerhaft erhalten bleiben sollen. Unterstützt wird das Fest von der Kultursenatsverwaltung.
(Viele der Fassaden des Festivals sind vom Immobilienkoncern "Deutsche Wohnen SE" den Künstlern hier zur Verfügung gestellt worden. Auch werden die Künstler für ihre Arbeit vom Koncern bezahlt. Demzufolge wurden Murals, die von "Deutsche Wohnen SE" gesponsort wurden, mit Farbbeuteln und ähnlichem eingedeckt.)
Kunst oder Kommerz? Wenn Street-Art zu Werbung wird
Schon während der industriellen Revolution wurde Reklame an Häuserfassaden gemalt. Diese Werbeform feiert nun das große Comeback. Murals können einer Marke ein junges, frisches Image verpassen. Im XXL-Format an hochfrequentierten Straßen platziert, sind Murals starke Eyecatcher. Murals haben Einzug in die Geschäftswelt gehalten und sich als starkes Tool der Werbebranche durchgesetzt.
kommerzielle Werbung
Sonnenallee/ Hermannplatz
kommerzielle Werbung
Karl-Marx-Straße
Text, Fotos (iPhone 8), Bildbearbeitung (Gimp 2.10): Eddi Neumann, August 2022