Schloss Britz
Ein Beitrag von N. Pustan
Ich trage in meiner Fantasie immer eine Vorstellung davon, welche Eigenschaften ein Schloss hat. Gespeist sind diese Bilder überwiegend von Märchen und romantisierenden Filmen.
Vielzählige Türme mit langgezogenen Turmspitzen, filigrane Fensterrahmen, aufragende Zinnen, zierende Skulpturen und farbsatte Gärten, für Könige erbaut.
So in meiner Fantasie.
Im Vergleich dazu wirkt das Schloss Britz bescheiden. Nicht das ehemalige Heim eines pompösen Herrschers, sondern vielleicht eher das eines vornehmen Geheimrats oder Finanzministers. Eben dies war der ursprüngliche Auftraggeber des Baus, der brandenburg-preußische Staatsmann Samuel von Chwalkowski, zu Beginn des 18. Jahrhunderts.
Ist es dann nicht ein Herrenhaus, erbaut für einen Finanzminister und ohne viele der Eigenschaften die man mit einem Schloss assoziieren mag? Vielleicht, aber nach der gängigen Definition gibt es kaum einen Unterschied zwischen den beiden Begriffen. Wann ein Gebäude überhaupt „Schloss“, „Herrenhaus“ oder „Burg“ genannt wird, hat keine ganz simple Regel und variiert außerdem nach Region und Zeit. Bei Burgen assoziiert man Wehrhaftigkeit, aber für Schlösser galt das anfänglich auch. Erst mit Beginn der Renaissance verloren sie diesen Charakter.
„Märchenschloss Britz“ ist es jedenfalls nicht, braucht es aber auch nicht. Die Architektur ist ansprechend und in ihren Dimensionen nicht pompös, aber imposant. Der romantische Charakter ist stark.
Die nachfolgenden Besitzer ließen hier und da Veränderungen vornehmen, aber für nennenswert halte ich nur den Umbau ~1880, im Stil der Neorenaissance, der das Gebäude um einen Treppenturm erweiterte. Die Turmspitze ist eine Bereicherung.
Vorderseite im Winter
Vorderseite im Spätsommer
Die vordere Hausseite mit Blick zur Straße wirkt, subjektiv betrachtet, attraktiver als die hintere. Die Fassade hat dort mehr Details und Abwechslung, erscheint mutiger und verspielter in der Gestaltung. Rückseitig ist das Antlitz eher schlicht und charakterlos. Was den visuellen Eindruck dort anhebt, ist eine schmückende, sommerliche Bepflanzung.
Rückseite im Winter
Rückseite im Spätsommer
Interessant ist eine Notiz auf der Wikipedia Seite des letzten privaten Besitzers, Wilhelm A. J. Wrede (* 1822 - † 1895). Dort heißt es, dass auch Kaiser Friedrich III. sich bemühte (damals noch als Kronprinz) das ehemalige Rittergut in seinen Besitz zu bringen. Wrede wird nur als Händler und Bankier erwähnt. Wie war es ihm möglich als Käufer vorgezogen zu werden? Was wäre aus dem kleinen Schloss geworden, unter der Fittiche eines angehenden Kaisers?
Die Familie Wrede verkaufte 1924 das Herrenhaus schließlich an die Stadt Berlin.
Das Design des Schlosses war eher bedeutungslos, als es 1945 zum Heim für Flüchtlinge des 2. Weltkriegs wurde. In dieser Funktion war es wohl effizient und die Nachkriegs-50er Jahre erforderten mehr Pragmatismus denn Kulturinitiative. Dementsprechend wurde es 1953 zum Kinderheim.
Ein Märchenschloss für Waisenkinder?
Ich wäre neugierig zu hören, ob es ehemalige Bewohner gibt, die diesen Gedanken als Erinnerung tragen. Überwiegend kenne ich Geschichten die davon erzählen wie hart es war in Waisenhäusern aufzuwachsen. Das wird wohl auch nicht anders sein, wenn das Heim ein Schloss war.
1985 wurde der Heimbetrieb beendet und das Schloss umfangreich restauriert. Leider ist es schwierig Informationen zu finden, die einen Hinweis darauf geben warum der Betrieb als Kinderheim eingestellt wurde. Gerne möchte ich glauben, dass es nur organisatorische Gründe gab, um beispielsweise das Schloss kulturell effektiver nutzen zu können. Es bleibt aber zumindest mein Verdacht, dass das Heim, so wie viele andere, seiner Bestimmung nicht gewissenhaft nachging und deshalb zwangsweise aufgelöst wurde.
Nun sind alle Räumlichkeiten originalgetreu dem Stand von 1883 nachempfunden und das Gebäude ist ein Museum für die Wohnkultur der Gründerzeit in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Mit entsprechenden Möbeln versehen gibt es jeweils ein Herren-, Damen-, Jagd- und Terrassenzimmer, sowie einen Festsaal. Die Ausstattung besteht aus antiquarischen Stücken die von vielerlei Orten und Personen bezogen wurden.
Faszinierend ist, dass eines der Gemälde nachträglich identifiziert wurde und tatsächlich wohl einen Enkelsohn von Wilhelm Wrede darstellt. Erfreulicher Zufall.
Abgesehen von einem Grammophon ist auch der weniger bekannte und 10 Jahre früher erfundene Phonograph zu sehen.
Unter der Leitung des Estrel befindet sich im Gebäude auch ein Hotelbetrieb, der 2009 als zukunftsweisendes Ausbildungsprojekt ins Leben gerufen wurde und seither vorbildlich geführt wird. Abgesehen vom Schlossambiente inklusive Park, gibt es auch ein Restaurant für die Hotelgäste.
So alt wie das Schloss ist auch der zugehörige Schlosspark Britz. Die 1,8 ha große Anlage wurde von seinen jeweiligen Besitzern um diverse Elemente erweitert und gut gepflegt. Seit 1990 steht der Park unter Denkmalschutz. 1997 erhielt er den Gustav-Meyer-Preis.
Mehr Infos: https://schloss-gutshof-britz.de/
Neben dem Schloss liegt der Gutshof Britz.
Hier finden sich das Museum Neukölln, die Musikschule Paul Hindemith Neukölln und das Restaurant Buchholz.
Über das Jahr verteilt gibt es regelmäßige Konzerte, Ausstellungen und andere Veranstaltungen.